Minimalismus
Derzeit scheint eine minimalistische Lebensweise schon fast zum Trend geworden zu sein. Es gibt mittlerweile zahlreiche Ratgeber und Blogs, die sich mit Minimalismus befassen. Mich begleitet dieses Thema in der einen oder anderen Form schon seit geraumer Zeit und ich möchte den heutigen Beitrag daher dem Minimalismus widmen.
Vor einigen Jahren war ich zu Gast in einer Wohnung, in der kaum Möbel standen. Die wenigen Bücher waren sorgfältig auf dem Boden platziert. Das Geschirr in der Küche war auf ein Minimum reduziert und der Tee wurde in einer wunderschönen Porzellankanne serviert und schmeckte köstlich. Die wenigen Möbelstücke waren aus edlem Holz und die Überzüge aus fein ausgewählten Stoffen. Alles war weit und ich konnte so richtig aufatmen. Das Gefühl der Weite hat mich nachhaltig fasziniert und immer wieder musste ich im Laufe der Jahre an diese Wohnung und diesen damit verbunden Lebensstil denken – ein Leben, das Wesentliches in den Fokus rückt und genügend Raum lässt für das Sein. Ein Leben, in dem Qualität Priorität hat.
Als ich damals zurück in meine eigenen vier Wände gekommen bin, wollte ich am liebsten sofort auch diese Weite in mein Zuhause einziehen lassen. Ich habe einigen Menschen in meinem Umfeld von dieser minimalistischen Lebensweise erzählt und die Reaktionen waren meist gleich: „Sehr interessant, aber so könnte ich nicht leben.“
Meine diesbezüglichen Ideen habe ich bald wieder verworfen und über die Jahre viele Dinge angesammelt: Bücher, CDs, Dekorationsgegenstände, Küchenutensilien, Kleidungsstücke und vieles mehr. Viele von uns haben die Tendenz, Dinge anzusammeln. Wir sind erstaunt, was sich eigentlich alles so in unseren Kästen befindet, wenn wir einen genauen Blick hinein werfen. Immer mehr zu wollen gehört heutzutage schon fast zum guten Ton. Nicht nur in Bezug auf Gegenstände. Hektik und Stress scheinen Statussymbole geworden zu sein und werden oftmals mit Erfolg gleichgesetzt. Bei all dieser Hektik und der dauernden Bestrebung alles noch effizienter zu gestalten gerät unser Leben oft auch mal aus den Fugen.
Was beudeutet Minimalismus eigentlich?
Minimalismus ist mehr als ein bisschen auszumisten und sich von ein paar Gegenständen zu trennen. Minimalismus bedeutet für mich vor allem zu überlegen, was für uns ein gutes Leben ausmacht und was wir für so ein Leben wirklich brauchen. Minimalismus bedeutet, sich mit einigen Fragen ehrlich zu befassen:
Was zählt im Leben wirklich? Worauf möchte ich meinen Fokus legen? Was ist für mich wesentlich? Was macht ein gutes Leben eigentlich aus?
Diese Fragen beschäftigen uns alle im Laufe unseres Lebens immer und immer wieder. Dieses Hinschauen, die ehrliche Auseinandersetzung mit diesen Fragen, ist von Zeit zu Zeit besonders wertvoll und hilft uns dabei, den Fokus zu finden oder zu halten. Es geht um ein langfristiges Umdenken. Minimalismus bedeutet genau hinzuschauen, was wir in unser Leben lassen.
Reduzieren auf das Wesentliche
Ein neues Jahr hat begonnen und dieses Jahr steht für mich persönlich unter dem Motto „Reduzieren auf das Wesentliche“. Ich räume nun schon seit Wochen in meiner freien Zeit auf: Ich setzte mich mit den Dingen auseinander, die in meiner Wohnung und in meiner Praxis ein Zuhause gefunden haben. Jeder einzelne Gegenstand hat eine Geschichte und viele der Sachen erinnern mich an Vergangenes. Das bewusste Ausmisten, das Loslassen von Dingen hat immer auch etwas Aufarbeitendes. Wir befassen uns mit unserer Vergangenheit, mit den Entscheidungen die wir getroffen haben, mit dem Weg, den wir bisher gegangen sind. Und wir setzen uns intensiv mit uns selbst auseinander. Wir erleben, was uns im Leben wirklich wichtig ist, wo unsere Prioritäten liegen und was uns aufrichtig bewegt. Wir verabschieden das Alte und machen Platz für das Jetzt. Mit der Ordnung kommt auch die Klarheit. Es wird klar ersichtlich, wo wir stehen. Diese Klarheit ist wohltuend, weit, weich.
Vielleicht ist das neue Jahr auch dazu da umzudenken. Wieso sollen wir eigentlich immer mehr wollen? Warum können wir nicht einfach auch mal damit zufrieden sein, was schon da ist? Dieses Jahr, 2017, könnten wir uns doch einfach mal vornehmen, wirklich ehrlich zu uns selbst zu sein – loszulassen, was nicht mehr gut tut, und das, was da ist dafür ganz besonders zu schätzen.
Literaturempfehlungen
Förster, Jens (2015): Was das HABEN mit dem SEIN macht. Die neue Psychologie von Konsum und Verzicht. München: Pattloch.
Jay, Francine (2016): Less is more. Von der Freude des Weglassens. München: mosaik.
Wringham, Robert (2016): Ich bin raus. Wege aus der Arbeit, dem Konsum und der Verzweiflung. München: Heyne Encore.